Weil wir wir sind (Neuauflage von Sweet like Candy)
Eine neue Stadt, neue Wohnung, neue Freunde – reicht das aus, um die Vergangenheit hinter sich zu lassen? Für einen neuen Anfang?
Candy ist fest entschlossen, genau das in Boston zu schaffen. Das J ihre Welt auf den Kopf stellt, ist weder geplant, noch gewollt. Wird er es schaffen, ihr Herz für sich zu gewinnen? Oder wird ihre Vergangenheit sie einholen und ihre Suche nach dem großen Glück und einem neuen Anfang zerstören?
Kann die wahre Liebe eine verwundete Seele heilen?
Leseprobe:
1 New Life
CANDY
"Hi, ich bin Candy Jones. Ich bin 22 Jahre alt und studiere im ersten Semester Wirtschaft", sprudelte sie mit klopfendem Herzen ihren Text heraus. Sie hasste diese Vorstellungsrunden! Vollkommen überflüssig. Weder der Professor noch die 35 Studenten in seinem Kurs konnten sich so viele Namen merken. Aufstehen und sich von allen begaffen zu lassen, setzte dem Ganzen noch die Krone auf.
Sie war wirklich alles andere als ein scheues Mäuschen, trotzdem beschleunigte sich in solchen Momenten ihr Herz auf maximale Leistung. Das Ganze würde sich wieder ein wenig legen, wenn sie ihre Kommilitonen ein bisschen kennengelernt hatte. Aber im Moment waren sie einfach alle fremd.
Nicht nur die anderen Studenten. Auch der Professor, die Universität, ihre neue WG, ihr Mitbewohner und schließlich sogar die Stadt. Sie war von New York nach Boston gezogen, weit weg von zuhause.
"Wow, Candy ist ein cooler Name. So würde ich auch gern heißen", sagte ein Mädchen mit kinnlangen braunen Haaren neben ihr. Sie selbst hätte auch gerne solch einen Bob, aber ihre blonden Locken standen in alle Richtungen, sobald sie sie kürzer als schulterlang trug.
"Äh, hi, sorry, ich hab deinen Namen nicht mitbekommen, war irgendwie in Gedanken", antwortete sie leicht verspätet.
"Kein Problem, war bestimmt was Wichtiges", antwortete ihre Banknachbarin gut gelaunt. Eigentlich war es überhaupt nichts Wichtiges, aber sie wollte der guten Seele neben sich nicht ihre rosaroten Illusionen über die Menschheit nehmen. Also lächelte sie einfach und Bobby schien es so hinzunehmen.
"Mein Name ist Sarah", plapperte Bobby weiter.
"Freut mich, Sarah. Und ja, wir können gern Namen tauschen. Glaub mir, es ist nicht so toll, so einen Namen zu haben."
"Warum?"
"Weil man deswegen ständig blöd angequatscht wird."
Candy erkannte erst, was genau sie da gerade gesagt hatte, als Sarah zusammenzuckte. Scheiße! Warum zum Teufel musste ihr Mund auch immer schneller sein als ihr Kopf?
"Hey, das war jetzt nicht auf dich bezogen oder so. Also, ähm, ich meinte damit eigentlich, von Typen doof angemacht zu werden."
Ganz toll gemacht, Candy! Wieder eine rosa Welt mit deinen riesigen Fettnapftretern zerstört!
Sarah versuchte zwar noch zu lächeln, aber Candy wusste, dass Sarah sie jetzt für ziemlich schräg hielt. Ganz leicht war es für Candy nicht, neue Menschen kennenzulernen.
Die meisten Leute verstanden ihre Art Humor einfach nicht. Ihre Blicke sagten dann immerzu: "So süß sie auch aussieht, irgendwie ist dieses Mädchen seltsam."
Und dass sie süß aussah, war Candy nur allzu bewusst. Sie hatte lange blonde Locken und strahlend blaue Augen. Groß und ausdrucksstark, mit dichten schwarzen Wimpern. Eine kleine Stupsnase und volle, rosa Lippen. Mit 1,60 Metern Körpergröße war sie zwar bei Weitem kein Modeltyp, aber ihre Figur kam bei den Männern immer gut an. Außen Hui, innen Pfui, aber das brauchte ja niemand zu wissen.
Da sie neu in der Stadt war und dringend eine Freundin gebrauchen konnte, versuchte sie, Sarah doch noch für sich zu gewinnen.
"Hey, sag mal, Lust auf einen Kaffee, nach der Vorlesung?"
"Sorry, keine Zeit. Vielleicht ein andermal, okay?", antwortete Sarah, aber Candy war sich da nicht so sicher. Prinzipiell hätte sie das nicht ganz so schlimm gefunden, aber irgendwie fühlte sie sich im Moment doch einsam.
Ihr Mitbewohner, den sie zwar erst seit zwei Wochen kannte und dennoch bereits vermisste, war am Wochenende für sechs Wochen zu seinem Auslandspraktikum aufgebrochen.
Julien und sie hatten sich von Anfang an gut verstanden. Er besaß definitiv die gleiche Art Humor wie sie. Er hatte auch nicht einen doofen Spruch über ihren Namen gebracht. Schade, aber diese sechs Wochen würde sie einfach mit Lernen und Arbeiten überbrücken. Die Stadt unsicher machen konnte sie auch noch, wenn Julien wieder da war.
Sie brauchte überhaupt keine neue Freundin. Was sind schon sechs Wochen! Deutlich besser gelaunt ging sie aus dem Klassenraum. Die dritte und letzte Vorlesungsrunde für den heutigen Tag also auch geschafft. Puh.
Gut, dass der Montag immer so kurz sein würde, denn er zählte eindeutig nicht zu ihren Lieblingstagen in der Woche. Montag war gleichbedeutend mit Dein Wochenende ist vorbei oder Es sind noch fünf ganze Tage, bis dein Leben wieder beginnt.
Schule und Studium waren die Hölle für Candy. Warum sie sich das dann antat? Ganz einfach, sie würde alles tun, um nicht so zu enden wie ihre Mutter. Aber das ... Themawechsel! Das hier war Boston, nicht New York!
Also fand sie es nur passend, dass der schlimmste Tag der Woche auch der Kürzeste sein sollte. Als sie das Universitätsgebäude verließ, schüttete es in Strömen. Schöne Scheiße! Okay, also Bücher unter die Jacke und los!
Candy rannte so schnell sie konnte quer über den Campus. Sie war mehr als froh darüber, heute früh Chucks anstatt Highheels gewählt zu haben. In Highheels über einen Kopfsteinpflasterplatz zu rennen, hätte mindestens einen gebrochenen Knochen zur Folge gehabt!
Klatschnass und durchgefroren kam sie schließlich in ihrer neuen Bleibe an. Hier konnte nur noch eine heiße Dusche helfen. Schnell streifte sie sich sämtliche Klamotten ab und warf sie in den Wäschekorb neben der Dusche.
Candy mochte ihr neues Bad. Es war zwar klein und sie musste es mit Julien teilen, aber es war sauber und hatte alles, was man benötigte. Gegenüber dem Waschbecken in dem länglichen, weiß gefliesten Raum standen sowohl Badewanne als auch Dusche.
Das warme Wasser fühlte sich unglaublich gut auf ihrer Haut an. In ihren Augen leider nicht. Eine ihrer Kontaktlinsen suchte im Wasserstrom das Weite und verschwand auf Nimmerwiedersehen im Abfluss.
Scheiße!
Sie trocknete sich ab, entsorgte auch die zweite Linse und band sich dann die Haare zu einem unordentlichen Knoten. Das Gefühl von nassen Haaren, die in ihrem Nacken klebten, konnte sie absolut nicht ausstehen. Mit der großen, schwarzen Brille auf der kleinen Nase lief sie in ihr Schlafzimmer, das gleich nebenan lag.
Vom ersten Tag an, an dem sie die Wohnung betreten hatte, stand unwiderruflich fest, dass dieses Zimmer neu gestaltet werden musste!
Es war kalt, steril. Weiße Wände ohne ein einziges Bild, rechts von der Tür stand ein etwas breiteres Bett mit schlichtem Metallrahmen, ein kleiner Nachttisch direkt daneben.
Unter dem großen Fenster mit Blick auf den Campus stand ein weißer Schreibtisch, an dem sie ihre Studienarbeiten erledigen konnte. Die gesamte linke Seite des Raumes nahm ein fast vier Meter langer Kleiderschrank mit weißen Schiebetüren ein, der mehr als genug Platz für ihre Kleidung bot, obwohl sogar noch einiges von Julien darin hing.
Candy war einfach nur froh gewesen, eine günstige möblierte Wohnung zu bekommen.
Diese hier war noch nicht einmal ausgeschrieben gewesen.
Sie hatte die Angebote am Schwarzen Brett der Uni studiert, als Julien sie ansprach.
Julien war in mehr als einer Hinsicht ein Glückstreffer. Sie verstanden sich hervorragend. Er machte sich nicht an sie heran.
Die Wohnung war der Hammer! Ihr neuer Mitbewohner war sogar sehr erpicht darauf, dass alles immer picobello war. Das waren dann klassische fünf Sterne für den besten Mitbewohner, den man sich wünschen konnte!
In ihrem rosa Nickischlafanzug gehüllt, machte sie es sich schließlich auf dem Sofa gemütlich.
JUSTIN
Endlich zuhause!
Nach einem Auslandssemester in Spanien mit anschließendem Kurzpraktikum freute sich Justin darauf, endlich wieder in seine Wohnung zu kommen. Es war nicht das erste Mal, dass er für längere Zeit im Ausland war, aber es hatte ihn in diesem Jahr besonders stark zurückgezogen.
Er hatte seinen Aufenthalt nicht mal für einen kleinen Urlaub im Anschluss verlängert, wie er es sonst gern tat. Das war gut, so konnte er direkt mit dem nächsten Semester weitermachen, ohne allzu viel verpasst zu haben.
In dem kleinen Flur seiner Wohnung ließ er seine Reisetasche auf den Boden fallen. Zog sich die Schuhe aus und stiefelte dann endlich ins Wohnzimmer ... in dem eine ihm unbekannte Frau saß.
Eine sehr schöne Frau, wenn auch äußerst seltsam gekleidet. Welche Frau trug schon am frühen Nachmittag einen Schlafanzug auf einem Sofa, das ihr nicht gehörte? Und das in einer Wohnung, in der sie nur vorübergehend verweilen konnte. So war nun mal die Regel: Keine Frau durfte sich länger als 24 Stunden am Stück in seinen vier Wänden aufhalten.
"Hey", sagte er also, was ihrerseits mit einem trommelfellzerstörenden Schrei quittiert wurde. Sie sprang hektisch auf und verteilte den Inhalt ihrer Tasse auf seinem Echtholzparkett.
Schöne Scheiße! Weiber!
Zu guter Letzt warf sie alle in ihrer Reichweite stehenden Gegenstände auf ihn, während sie immerfort hysterisch kreischte.
Das Buch, das seinen Kopf nur knapp verfehlte, gab ihm schließlich die Motivation zu handeln.
In zwei langen Sätzen war er bei ihr, packte die wild um sich schlagenden Arme und drehte sie auf ihren Rücken. Blondie taumelte und prallte gegen seine Brust.
Sie war klein. Ging ihm gerade mal bis zur Schulter. Ihr Puls raste, das spürte er an ihren Handgelenken nur allzu deutlich. Das Kreischen war zwar in dem Moment verstummt, als sie gegen ihn geprallt war, dafür zitterte sie heftig. Ihr kleiner, wohlgeformter Körper bebte in seinen Armen.
"Schsch", machte er und murmelte dann: "Wo zum Teufel bleibt eigentlich Julien, wenn man ihn mal braucht?"
"Dddduuu keennnnsssst ihhhnn?", stotterte sie leise und ihre Stimme klang sogar sehr angenehm, wenn sie nicht gerade einen Anschlag auf sein Hörvermögen verübte. Weich, harmonisch, einfach schön.
"Ja, wir teilen uns diese Wohnung", antwortete er, wenn auch etwas zeitverzögert. Zu sehr hatte er sich von ihrem Duft ablenken lassen. Sie roch sehr gut, irgendwie zitronig.
"Nein, Julien und ich teilen uns diese Wohnung", sagte sie und klang, als hätte sie sich langsam wieder erholt. Loslassen würde er sie aber noch nicht, sie fühlte sich in seinen Armen ziemlich gut an.
"Das glaube ich nicht. Das ist meine Wohnung", antwortete er ruhig. Langsam begann sie, sich in seinem Griff zu winden, wollte freikommen. Durch die Bewegung rieb sich ihr Körper an seinem und erzeugte ein ziemlich realistisches Kopfkino über eine sich windende Blondie in seinem Bett.
"Nein. Er hat mir das Zimmer angeboten und gesagt, dass es seine Wohnung sei. Könntest du ... kannst du mich bitte loslassen?"
"Nein, zu gefährlich. Und nein, das ist meine Wohnung. Ich kann dir gern die Eigentümerurkunde zeigen", antwortete er schlicht, nicht gewillt, dieses süße Ding schon gehen zu lassen. Vielleicht konnte er seine Ankunft gleich mit ihr feiern.
"Lass mich los! Ich rufe ihn an!", sagte sie und jetzt musste er sie ziehen lassen. Wenn er sie noch fester hielte, würde sie zum Schluss noch blaue Flecken bekommen.
"Lass mal, ich mach das selbst", antwortete er und ließ sich auf das Sofa fallen, damit dieses süße Ding nicht gleich spitz bekam, was für eine Wirkung sie auf ihn hatte.
Mann oh Mann, verdammt heiß, die Kleine!
Er zog sein iPhone aus seiner Jackentasche und wählte Juliens Nummer.
"Meister, was gibts?", meldete dieser sich fröhlich nach dreimaligem Läuten.
"Da steht ein echt süßes Mädchen in meinem Wohnzimmer", sagte er ohne Begrüßung. Besagtes Mädchen verzog irgendwie angewidert ihr hübsches Gesicht. Warum konnte Justin sich nicht erklären, er hatte schließlich wirklich freundlich von ihr gesprochen. Blondie sah aber eher drein, als hätte er ihr Schimpfworte an den Kopf geworfen.
Während er auf Juliens Antwort wartete, beobachtete er sie weiter.
"Was machst du daheim?", fragte dieser jetzt mit deutlich weniger lockerem Ton.
"Studieren?", fragte Justin zurück. Was war nur los mit diesem Spinner?
"Warum?", dabei klang er langsam panisch.
"Julien, was soll der Scheiß? Beantworte endlich meine Frage!", herrschte er ihn an. Langsam hatte er wirklich die Schnauze voll von diesem Gespräch und irgendwie roch er, dass hier gerade echt etwas schief lief.
"Normalerweise meldest du dich immer, bevor du zurückkommst!", sagte Julien vorwurfsvoll.
"Das ist meine Wohnung, Julien, ich muss mich nicht ankündigen, wenn ich nach Hause komme. Rück endlich mit der Sprache raus!"
"Hör mal, sieh sie dir doch an! Sie stand da so verloren vor dem Schwarzen Brett. Da dachte ich, ich nehm sie mit zu mir. Habe ein bisschen Spaß mit ihr und spätestens, wenn ein paar andere Weiber ein- und ausgehen, verschwindet sie dann sowieso von selbst", stammelte Julien.
Ja, süß war sie, da musste er seinem besten Freund recht geben. Und mit nach Hause hätte er sie auch genommen. Aber niemals, wirklich niemals, hätte er sie hier einziehen lassen!
"Sie ist noch da", informierte er ihn knapp.
"Ja, ich hatte sie auch noch nicht. Ist nicht ganz so leicht, wie es scheint."
"Und wie stellst du dir das jetzt vor?"
"Kannst du nicht einfach eine Zeit lang in meinem Zimmer schlafen? Ich überleg mir was!"
"Warte, willst du mir damit sagen, sie bewohnt mein Zimmer?", fragte er und als er aufsah, bemerkte er, dass die Kleine irgendwie beunruhigt wirkte.
Sie sah fast noch süßer aus, wie sie so ihre Finger knetete und ihr spärliches Gewicht von einem Fuß auf den anderen verlagerte.
"Ja, ich werde sie wieder los, versprochen! In sieben Wochen ist sie weg!"
"SIEBEN??"
"Ja, ich komme ja erst in sechs wieder und ich will sie unbedingt noch vögeln.", jammerte Julien.
"Versteh ich", brummte er und ließ seinen Blick über sie schweifen.
"Nein! Nein, nein! NEIN! Bitte Justin. Lass sie mir! Reiß dich ein verdammtes Mal zusammen, Mann! Bitte! Ich will sie! Und ich hab auch schon zwei Wochen investiert!"
"Hält dich doch keiner davon ab", murmelte Justin, während sich ein träges Lächeln auf sein Gesicht schlich.
"Komm schon, Alter! Du weißt ganz genau, dass ich niemals etwas ficken würde, das du schon hattest!", antwortete Julien und klang ein wenig verzweifelt.
"Für mich bleiben also nur Nachteile."
"Ich leihe dir mein Bike. Vier Wochen!"
Vier Wochen Yamaha fahren? "Deal!", sagte er schnell, bevor Julien feststellte, dass er sein Baby gerade gegen ein bisschen Sex eingetauscht hatte.
"Danke Mann! Ich bring das alles wieder in Ordnung, okay?"
"Passt", antwortete Justin und legte auf. Dann wandte er sich an die Frau, mit der er jetzt sieben Wochen verbringen sollte. OHNE sie zu vögeln.
Ich könnte es ja als Forschungsprojekt betrachten, sinnierte er, während er sie betrachtete. Dafür war Julien ihm definitiv was schuldig!
Du bist also Platz eins auf der Darf-Mann-Nicht-Ficken-Liste.
Verdammte Scheiße! Sieben lange Wochen!